» Interview mit Petra Carbon –
Heinrich-Mann-Schule Dietzenbach «
Junge Menschen für Naturwissenschaft zu begeistern, das ist eines der Ziele von Petra Carbon. Gemeinsam mit Ihren Schüler*innen organisierte Sie eine Forschungsmission in die Stratosphäre und ermöglichte so eines der ersten Events an Ihrer Schule seit Beginn des Präsenzunterrichts, bei dem Ihre Schüler*innen als Mentoren auch Grundschüler*innen mit eingebunden haben. Wir freuen uns sehr, dass Frau Carbon von Ihrem Projekt berichtet und Ihre Erfahrungen teilen möchte:
Als MINT-Botschafterin engagieren Sie sich in besonderem Maße für Naturwissenschaft, an welcher Schule sind Sie tätig und welche Fächer unterrichten Sie?
Ich unterrichte an der Heinrich-Mann-Schule in Dietzenbach. Die kooperative Gesamtschule mit gymnasialer Oberstufe ist seit vielen Jahren Nawi-Kompetenzzentrum und stolz auf ihren MINT-Bereich. Ich selbst unterrichte MINT in Jahrgang 5, 6 und 7 als Wahlunterricht. Außerdem leite ich die Astronauten-AG und die Klimawerkstatt.
Warum haben Sie sich für eine Forschungsmission in die Stratosphäre entschieden? Warum nicht ein anderes naturwissenschaftliches Projekt?
Ich hatte schon länger mit einem Stratosphärenflug geliebäugelt. Nach einer Online-Fortbildung bei Herrn Dierig war ich so motiviert, dass ich sofort am nächsten Tag losgelegt habe. Denn Corona bedingt wechselten die SchülerInnen meines MINT-Kurses (Jahrgang 6) zum zweiten Halbjahr und ich wollte ihnen ein Projekt ermöglichen, das sowohl im Distanz- als auch im Präsenzunterricht spannend wäre. Und es war genau die richtige Entscheidung!
Wie haben Sie das Projekt der Schulleitung vorgestellt? Wie war das Feedback der Schulleitung und aus dem Kollegium? Hatten Sie Unterstützer beim Projekt?
Ich musste gar nicht viel erzählen, ich habe ein Video von der Webseite gezeigt. Sowohl die Schulleitung als auch die Kolleginnen und Kollegen, die im Projekt involviert waren, waren von Anfang an begeistert.
Welche Schüler*innen/ Klasse/ Altersstufe haben Sie für das Projekt ausgewählt und wie waren die ersten Reaktionen auf das Projekt?
Den eigentlichen Stratosphärenflug bereiteten 15 SchülerInnen des MINT-Kurses Jahrgang 6 vor. Die Astronauten-AG, die wegen Corona mit der Klima-Werkstatt zusammengelegt wurde, kümmerte sich um das begleitende Experiment „Space Seeds Vol. II“. Am Starttag arbeiteten alle Hand in Hand als großes Team. Das Projekt hat allen so gut gefallen, dass sie sich nach dem Start per Mikrofon vor allen Gästen dafür bedankt haben.
Berichten Sie von Ihrer eigenen Vorbereitung: Wie viel Zeit haben Sie in Vorbereitung und die Organisation investiert? Welche Informationsquellen haben Sie bei der Vorbereitung verwendet?
Die Vorbereitung war spannend und aufregend. Schließlich geht es bei einem Stratosphärenflug auch um viel Geld. Aber die Materialien von Stratoflights wie z.B, das Handbuch, die Tutorials oder das Unterrichtsmaterial halfen sehr gut. Und wenn doch mal etwas unklar war, weil wir etwas überlesen hatten, bekam ich am Telefon immer sofort und freundlich Hilfe.
Ich habe nicht alle Unterrichtsinhalte von Stratoflights gleich intensiv behandelt, sondern den SuS viel selbstständiges Arbeiten und Erarbeiten ermöglicht. Letztendlich war die Planung der wöchentlichen Doppelstunde nicht zeitintensiver als eine „normale“ Unterrichtsplanung.
Wie haben Sie Ihre Unterrichtseinheiten aufgebaut? Welche Inhalte und welchen zeitlichen Umfang hat das Projekt von Beginn bis zum Starttag eingenommen?
Wir haben uns erst einmal die Schichten unserer Atmosphäre angeschaut und uns Gedanken zum Projekt gemacht. Alles mit den fertigen Unterrichtsmaterialien von Stratoflights, die sich übrigens perfekt im Wechselunterricht nutzen ließen. Anschließend ging es abwechselnd um das Entwerfen und Bauen der Styroporsonde und um die Entwicklung von Unterrichtsmaterialien für GrundschülerInnen. Denn ein „Nebenprodukt“ des Projektes war, dass die „Lernenden“ zu „Lehrenden“ werden sollten. Die SchülerInnen bauten verschiedene Modelle zu den Atmosphären-Schichten und entwarfen ein eigenes Papiermodell, um den „Kleinen“ das Projekt zu erklären. Außerdem führten sie ein Online-Interview mit Marcel Dierig, weil sie den GrundschülerInnen auch erzählen wollten, wie aus einem vor 11 Jahren gestarteten Schülerprojekt ein Unternehmen werden kann. Je fünf Sechstklässler betreuten eine Grundschulklasse. Die Grundschullehrerinnen waren voller Lob und alle SuS begeistert – die Kleinen und die Großen.
Kurz vor dem Starttermin gingen wir alle Tutorials und Checklisten sehr intensiv durch. Die SuS bildeten Interessengruppen für den Starttag: „Lotsen“ für geladene Gäste und die Grundschulklassen, eine Foto- und Filmgruppe und eine „Checker-Gruppe“. Letztere half beim Technik-Check und dem kompletten Start.
Was hat während der theoretischen und praktischen Missionsvorbereitung gut und weniger gut funktioniert?
Die SuS engagierten sich von Anfang an sehr für das Projekt. Eine Schülerin hob z.B. in den Ferien das komplette Styropor, mit dem ihr großes Geburtstagsgeschenk verpackt war auf und brachte es in den Unterricht mit. So konnten ihre MitschülerInnen fünf Sonden planen und bauen. Allerdings nahmen einige SuS das exakte Planen der Sonde nicht ernst. Sie stellten recht schnell fest, wie wichtig eine gute Planung gewesen wäre. Trotzdem blieb die Stimmung kreativ und konstruktiv.
Was während des ganzen Projektes überdurchschnittlich war und auf was wir sogar vom neuen Bürgermeister angesprochen wurden, war die Teamarbeit.
Was für uns alle sehr stressig wurde, war der ständige Wechsel in den Wettervorhersagen. Eine Woche vor dem Start überlegten wir sogar den Start abzusagen, da Regen und Gewitter angezeigt wurde. Am nächsten Tag Sonnenschein, ein Tag später bewölkt. Erst in dem Moment, als wir das ganze Equipment auf das Zwischendach brachten, rissen die Wolken auf und brachten strahlenden Sonnenschein.*
*Anmerkung von Stratoflights: Durch den aktuell kaum vorhandenen Flugverkehr fehlen große Datenmengen für die Wetterprognosen der Wetterdienste, somit sind Wetterprognosen aktuell unzuverlässiger.
Berichten Sie vom Starttag: Haben Sie den Start als Event inszeniert? Waren andere Klassen in das Event involviert gewesen? Konnte die Sonde direkt geborgen werden? Wie war die Bergungsfahrt organisiert?
Wir hatten viele Gäste aus Wirtschaft, Politik und Schulamt bzw. Kultusministerium sowie die Grundschulklassen, die sich im Projekt „Hand in Hand präsentieren wir die Welt“ beteiligt hatten, eingeladen. Dazu natürlich Presse und auch Mitglieder des Drachenclubs „Aiolos“. Um allen eine optimale Sicht auf den Start zu ermöglichen und gleichzeitig alle Hygiene- und Abstandsregeln einzuhalten, starteten wir von einem Zwischendach der Schule. Dadurch konnten auch viele Schulklassen der HMS zuschauen. Es war auf jedem Fall ein tolles Event.
Ursprünglich wollten nur zwei Lehrkräfte der Sonde nachfahren. Aber am Starttag schlossen sich spontan zwei weitere an. Trotz der langen Zeit, wir kamen erst um 21.30 Uhr wieder in Dietzenbach an, hatten wir vier sehr viel Spaß im Auto.
Ein Vater fuhr privat mit einigen SuS in einem zweiten Auto mit. Bis zum ersten Treffpunkt auf einer Raststelle deckten sich die Flugdaten des SpotTrace perfekt mit der berechneten Flugbahn. Allerdings landete sie nicht wie vorgesehen bei Kassel, sondern nahm dort noch einmal richtig Fahrt auf und flog kerzengerade weiter. Sie landete schließlich in einem Roggenfeld hinter Braunschweig, daher war die Fahrtzeit länger als geplant.
Wie ging es nach der Bergung weiter? Haben Sie die Daten und Experimente und Filmmaterialien ausgewertet? Wie werden diese der Schule sowie der Öffentlichkeit zugänglich gemacht?
Nach einem Stratosphärenflug sind sehr viele Daten auszuwerten. Da wir in der vorletzten Woche vor den Sommerferien gestartet sind, haben wir in der letzten Woche täglich kurze Videos auf unsere Homepage hochgeladen. Vom Start, über den Aufstieg, den Flug im Schwarz des Weltalls bis zum Abstieg und der Landung. Die Videos sollten die Wartezeit auf die Ferien verkürzen und sorgten für sehr viel Traffic auf der Homepage.
Alle Gäste bekamen eine „Erinnerungsmail“ mit einem kleinen Abschlussbericht, in der Presse wurde darüber berichtet und die Pressestelle der Stadt Dietzenbach bediente die sozialen Medien. Insgesamt gab es sehr viel Aufmerksamkeit für das Projekt.
Welche Mehrwerte sehen Sie in diesem Projekt und was nehmen Ihre Schüler*innen aus den gemachten Erfahrungen mit?
Sie haben sehr das „etwas andere Arbeiten“ genossen. Selbstständig planen und bauen, Verantwortung übernehmen, Wissen an andere weitergeben und über das Projekt hinausgehende Ideen entwickeln. „Ich fand das Projekt supertoll und würde so etwas noch mal machen. Aber das Beste war der Start.“ „Ich fand es toll, dass wir uns erst alles erarbeitet haben und dann so als Abschluss die Sonde steigen gelassen haben.“ „ Ich fand es interessant, wie viel man für einen Flug braucht.“ Das sind zwei von 20 durchweg positiven Statements der beteiligten SuS.
Eine weitere sehr intensive Erfahrung war für die SuS das Interview mit Marcel Dierig. Sie haben sehr oft über ihn gesprochen. Er ist für sie zu einem lebenden Beweis geworden, dass aus kleinen Ideen sogar Unternehmen werden kann. „Ihr müsst an Euch und Eure Ideen glauben, dann wird das was.“ erklärten sie auch den Grundschulklassen. Ein Stratosphärenflug ist also viel mehr, als „nur“ ein naturwissenschaftliches Projekt.
Werden Sie erneut eine Forschungsreise in Richtung Weltraum antreten? Gibt es bereits Ideen für weitere Experimente in der extremen Umgebung in der Stratosphäre?
Ja. Ich habe meine SuS für einen neuen Wettbewerb im Zusammenhang mit dem Weltraum angemeldet. Vermutlich werden wir dafür ein oder zwei neue Experimente entwickeln, die voraussichtlich im Herbst in die Stratosphäre geschickt werden sollen.
Außerdem denkt unser Kooperationspartner, der Drachenclub „Aiolos“, darüber nach, anstatt des bereits abgesagten Drachenfestes einen Stratosphärenflug durchzuführen. Natürlich mit Unterstützung von den Schülerinnen und Schülern der HMS.
Die Sechstklässler, die diesen Sondenflug geplant und organisiert haben, wollen weitere Unterrichtsmaterialien für Grundschulen erstellen. Neben dem Bastelbogen zum Thema Stratosphäre sollen auch Experimente den „Kleinen“ das Thema näher bringen.
Welche Verbesserungsvorschläge möchten Sie Stratoflights mit auf den Weg geben?
Ich war sehr glücklich, dass mir die Rütgers-Stiftung den Stratosphärenflug finanziert hat. Leider entstanden im Laufe des Projekts Kosten wie bspw. Datenvolumen für den GPS Tracker STRATOfinder die ich bei der Beantragung nicht berücksichtigt hatte. Vielleicht könnte eine Liste dieser Punkte in das tolle und sehr umfangreiche Handbuch aufgenommen werden. Auch wie viel Datenvolumen die benötigte Telefonkarte haben sollte, hätte mir geholfen.*
*Anmerkung von Stratoflights: 500MB Datenvolumen sind vollkommen ausreichend.
Liebe Frau Carbon, herzlichen Dank für die tollen Eindrücke und die Möglichkeit die von Ihnen und Ihren Schüler*innen gemachten Eindrücke und Verbesserungsvorschläge mit anderen interessierten Lehrkräften zu teilen.
Alles gute und weiterhin viele spannende Flüge wünscht
Team Stratoflights
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